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Modulare Architektur lernt schwimmen...

2020 hatte ich mir beruflich eine Auszeit genommen, um wieder Energie zu tanken und aktuelle Entwicklungen in meiner Branche näher zu untersuchen. Themen, wie die der Nachhaltigkeit in der Architektur und steigende Baukosten, waren zwei Felder auf die ich eine neue Perspektive gezeichnet habe. Entdecken Sie im folgenden das Projekt Marina am Laacher See. Viel Spaß beim Lesen.

Zunächst einmal zum Grundstück. Der Laacher See ist auf den ersten Blick ein sehr idyllischer Ort. Er lädt Besucher zum flanieren, wandern und für leichte Wassersportarten ein. Der See ist umgeben von Wäldern und Feldern die ihn in eine farbenreiche Kulisse tauchen. Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei dem See um einen Vulkan handelt, der vor langer Zeit seinen letzten Ausbruch hatte und gegenwärtig noch ruhig ist.

Auf den zweiten Blick ist mir ein interessantes Detail aufgefallen, als ich die Topographie für die Analyse nachgebaute (Abb. 1). Der Vulkantypische "Kranz" um den See herum ist durch die verdichteten Höhenlinien noch deutlich zu erkennen (Abb.3). Gegen Süden öffnet sich der Kranz jedoch und die Verdichtung der Höhenlinien löst sich auf. Der See nimmt deshalb eine Ausrichtung von Süd-Westen nach Nord-Osten an.

3D Modell

Abb. 01

Abb. 01

Schnitt Diagramm

Abb. 02

Abb. 02

Höhenmodell

Abb. 03

Abb. 04

Nachdem ich in Folgendem eine Gerade durch den Mittelpunkt des Sees entlang dieser Ausrichtung gelegt hatte, bildete sich eine Schneise ab, wo heute das Kloster steht und ein kleiner Fluss sich durch diese Schneise schlängelt (Abb. 3). Ich habe die Schneise als Schnitt-Diagramm dargestellt (Abb. 2).

Zu sehen ist ein gleichmäßiger Höhenverlauf vom Hochpunkt der Schneise bei 370 m bis zum Mittelpunkt des Sees bei 225 m. Über die Entstehungshintergründe dieser Schneise kann ich im Weiteren nur spekulieren. Erwähnenswert finde ich die Stelle jedoch, weil sie in der plastischen

Betrachtung der Umgebung sich deutlich im Modell abzeichnet. In meinen Recherchen fand ich leider keine Erklärungen für die Schneise. Falls Sie zufällig als Leser den Ort und die Entstehungsgeschichte genauer kennen, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie mir eine Nachricht schreiben. 

Die Aufgabe die sich mir an diesem Ort stellte, war es ein Gebäude für langsame Wassersportarten vorzusehen, wo gleichzeitig während der Saison Besucher herbergen und Seminare für die Ausbildung gehalten werden können (Abb. 4). Die Beziehung des Grundstückes zum Wasser wird durch ein natürliches Gefälle hergestellt. Mein Ansatz sieht vor das Wasser für die Nutzer und Besucher durch Schwimmkörper erfahrbar zu machen und das Pflanzenufer zu umrahmen. Hierzu steht das Hauptgebäude auf dem Land und schließt mit allen dafür notwendigen Funktionen an das öffentliche Netz an. Das seichte Gefälle und die Bewegungen wasserseits werden durch zwei bewegliche Stege zwischen dem Hauptgebäude und dem Rahmen auf dem Wasser aufgefangen (Abb. 8). 

Über die Stege gelangt man auf die Schwimmkörper. Sie sind modular aufgebaut und angelegt. Die Flächennutzung geht flexibel auf die Umgebung und die Anforderungen ein. Aneinandergekoppelt laden sie Besucher zum besichtigen der Pflanzenwelt ein und dienen gleichzeitig als Anleger für eine variable Anzahl an Segelbooten und Vereinsräumen. Durch die Trennung aller Raumfunktionen vom Land, die auf eine Netzanbindung nicht dringend angewiesen sind, wie z.B. die Seminar- oder Lagerräume, wird ein minimaler Eingriff an das Erdreich und die natürlich gewachsene Umgebung möglich. Reversible Schraubfundamente tragen das Café und die Administration im Erdgeschoss und private Bereiche für Vereins-/ Seminarteilnehmende sind im Obergeschoss organisiert (Abb. 10).

Durch diese teilweise Verlagerung des Raumprogrammes auf das Wasser, wird die Architektur den Gegebenheiten entsprechend Veränderbar und passt sich zyklisch an Sommer und Winter an. Im Winter werden zum Schutz der Natur ungenutzte Gebäude und Stege, wie die Segelboote über eine Winde auf Land gezogen und für Wartungsarbeiten an den Segelbooten umgenutzt. Im Gegensatz dazu, wird im Sommer der Segelsport wieder aufgenommen und das Gebäude expandiert zurück auf den See, Wanderer besuchen das Café und Sportbegeisterte erkunden den See. Das architektonische Konzept thematisiert diese Veränderungen, die der Ort von einer Vulkanlandschaft hin zu einem ruhigen See über die Zeit gemacht hat.

Abb. 05

Ansicht

Es kann aufgrund der vulkanischen Aktivitäten passieren, dass der See bzw. die Umgebung zeitweise unbenutzbar für Menschen allgemein wird. Für diesen Fall kann auch das Hauptgebäude auf dem Land vollständig rückgebaut und abtransportiert werden. Die Module aus Massivholz werden dann an einer anderen Stelle wieder genutzt. Im ungünstigsten Fall kann man sogar das Holz einfach wieder zu Humus werden lassen. Das erfolgt rückstandslos, da grundsätzlich keine chemischen Bindemittel  in der Produktion der Massivholzplatten gebraucht werden, um sie witterungs-/ und schädlingsbeständig werden zu lassen.

Die Konstruktion beruht auf einem Raster von 5,90 m zu 2,35 m (Abb. 6). Das Grundmodul mit seinen Einzelteilen findet damit in einem 20 Fuß See-Container Platz und wird in vorgefertigten Teilen vor Ort zusammengesetzt. Die Ausführungsphase auf der Baustelle wird deswegen zeitlich auf ein Minimum eingestellt, was die Baukosten und Risiken für Unwägbarkeiten deutlich reduziert. Die Baukosten bewegen sich momentan bei  ca. 3.500 € pro m² (Stand 2023) in Deutschland. Das ist für die breite Masse an Bauherrn schlicht unbezahlbar, wenn wir die Vorhaben nach konventionellen Modellen betrachten. Also: einkaufen, bauen, abreißen, wegwerfen… Schaffen wir es jedoch dieses wertvolle Material in Generationen zu denken, wiederzuverwenden, evtl. auch "Pacht-" oder Mietmodelle zur Finanzierung zu entwickeln, dann bedarf es keines Experten um zu verstehen, dass solche Gebäude die Bauherrn langfristig sogar günstiger zu stehen kommt, als es Gebäude nach konventionellen Modellen gegenwärtig schaffen. Jedes Grundmodul ist gleich aufgebaut und wird um die entsprechenden Teile für die Land-/ Wassernutzung erweitert. Auf dem Land, liegt das Grundmodul auf jeweils zwei 180 mm starken Massivholzelementen, die im Verbund statisch und bauphysikalisch zur einer Einheit verschmelzen. In einer Aufbaustärke von 360 mm kommt das Holz ohne außenliegende Wärmedämmung aus und schafft u.a. deswegen ein Innenraumklima, dass durchgehend sauerstoffreich und bei einem U-Wert von 0,2 ganzjährig wohl temperiert bleibt. Die Anforderungen an die Haustechnik bleiben gering wodurch zusätzlich Kosten gespart werden. "Less is more" wird in diesem Fall von der Architektur auf die Haustechnik übertragen und bildet eine ganzheitliche Einheit zu Gunsten der Natur und der Nutzer. Erwähnenswert ist an dieser Stelle der Punkt, dass die technische Gebäudeausrüstung, in der Kostenaufstellung zur Herstellung eines Gebäudes, die Position für den Rohbau in den vergangenen 10 Jahren fast überholt hat, zumindest jedoch gleichgezogen ist und damit ein wesentlicher Preistreiber in den Gesamtkosten vieler Gebäudetypen geworden ist.

Zu Wasser wird das Grundmodul auf Schwimmkörper gesetzt und mit zusätzlichen Kupplungselementen Stück für Stück aneinander gekoppelt. Die Kupplungselemente sind elastisch durch Kautschukteile bzw. Elastomere miteinander verbunden und kompensieren die Bewegungen des Wassers in allen Achsen.

Das Wasser bedingt die Raumfunktionen in einzelne Kuben. So schwimmen sie auf dem Wasser mit geringen Lasten und können leicht bewegt werden. Dieses Prinzip der separierten Kuben habe ich auf das Hauptgebäude übertragen, wo sich die Raumfunktionen ebenso als Kuben abbilden, aber technisch mit notwendigen Leitungen wie z.B. Frisch- und Grauwasser über die im Hauptrahmen des Grundmoduls integrierte Installationsebene verbunden sind (Abb. 6). Architektonisch vereinen sich damit das Hauptgebäude zu Land mit den Gebäuden auf dem Wasser und werden zu einem Bindeglied zwischen Wasser und Land, wie auch ein Ufer im natürlichen Sinn den Übergang von Wasser zu Land schafft. 

Es gibt noch wesentlich mehr zum Thema "Natürlicher Holzbau" zu entdecken. Z.B. zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen im Zusammenhang des Mondes zur Erde oder zur Geschichte der antiken Schifffahrt und vieles mehr. Ich lade Sie gerne ein zum Austausch bei Rückfragen, Feedback und weitergehenden Verwendungsmöglichkeiten. Schreiben Sie mich gerne an. Ihr Architekt.

Grundmodul 5,90 m x 2,35 m

Bodenbelag aus Holz

Unterkonstruktion

Hauptrahmen mit Installationsebene

Grundmodul

Grundfläche

Abb. 06

Abb. 07

Grundmodul mit Erweiterungselementen zu Land

Grundmodul mit Erweiterungselementen zu Wasser

Bodenbelag aus Holz

Hauptrahmen mit Zusatzelementen

Primärtragwerk aus Holzelementen

Grundfläche Land

Bodenbelag aus Holz

Hauptrahmen mit Kopplungselementen

Primärtragwerk als Schwimmkörper

Grundfläche Wasser

Abb. 09

Abb. 08

Querschnitt

Abb. 09

Lageplan

Abb. 11

Längsschnitt Hauptgebäude

Abb. 12

Fassadenschnitt Hauptgebäude

Kupplungs-Detail

Bodenbelag aus Holz___________________________

Schwimmkörper________________________

Elastomere__________________________________________

Fassadenschnitt Seminarraum

Grundrisse Hauptgebäude

Erdgeschoss

Obergeschoss

Abb. 10

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